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White Talisman, 17 Jahre, Dänisches Warmblut

Rehabilitation eines Sport- und Zuchthengstes

Die Karriere des eindrücklichen Schimmels beginnt äußerst vielversprechend. 3-jährig wird er beim dänischen Warmblutpferde-Verband gekört, nur ein Jahr später ist er der überragende Sieger der dänischen Meisterschaften der 4-jährigen Dressurpferde und sichert sich so einen Startplatz für die Weltmeisterschaften der jungen Dressurpferde in Verden. Im Jahr darauf glänzt Talisman mit Siegen und Platzierungen bei jedem Turnierstart.

Doch dann verunfallt der Schimmel schwer und zieht sich gravierende Verletzungen an Beinen und insbesondere an der Luftröhre zu – sein Leben hängt noch an einem dünnen Faden. Dank seinem unbändigen Willen kämpft er sich nach monatelangem Klinikaufenthalt ins Leben zurück und brilliert in seiner neuen Heimat Norwegen wieder im großen Viereck. Aber auch dieser Höhenflug hält nicht an, da er nach einem Weideunfall erneut Stallruhe verschrieben bekommt.

Trotz Schonzeit, intensiver tierärztlicher Betreuung und Physiotherapie findet Talisman nicht mehr zu seiner alten Form zurück. Als er von einer norwegischen Para-Reiterin im Hinblick auf die Paralympics trainiert wird, zeigt er in der Belastung immer wieder Lahmheiten, deren Ursache kein Tierarzt erklären oder beheben kann. So wird der Charmeur von nun an nur noch in der Zucht eingesetzt und an Hengstschauen präsentiert.

Schließlich erblasst auch das Zucht-Interesse für den Hengst und er soll «weggestellt» werden. Doch dank neuen Besitzern führt ihn sein Weg an den Niederrhein, ins Zentrum für ARR. Wie beurteilen die Fachleute vor Ort seinen Zustand? Was kann durch gezieltes Training in seinem Alter noch erreicht werden? Hat man ihn vielleicht zu Unrecht abgeschrieben?

Gesundheitskontrolle

Während vier Ruhetagen hat Talisman sich von den Strapazen der langen Reise erholen und auf der Wiese und in der Boxe mit Blick auf den Innenhof die Seele baumeln lassen können. Heute nun steht die tierärztliche Gesundheitskontrolle auf dem Programm. Zuerst kontrolliert die Pferdezahnärztin Rabea Neubaum die Zähne und stellt fest, dass soweit alles in Ordnung ist. Das Gebiss wurde bisher regelmäßig behandelt – das zahlt sich im Alter aus.

Anschließend nimmt Frau Küppers eine ganzheitliche veterinärmedizinische Kontrolle vor. Gerade bei einem 17-jährigen Pferd ist es wichtig, den Status quo seines Allgemeinzustands festzustellen, bevor das Training beginnt. Schon anfangs der Woche wurde eine Blutprobe genommen, um ein großes Blutbild anzufertigen. Die Ergebnisse liegen heute vor: Auffällig ist einzig der hohe Eosinophile-Wert, der die Vermutung einer Verwurmung oder einer Stauballergie nahelegt. Zudem werden die Augen kontrolliert und eine dem Alter entsprechende leichte Sehschwäche festgestellt. Herz, Kreislauf und Atmungsorgane werden im Ruhezustand und in der Belastung – nach ein paar Minuten Freilauf im Rundpaddock – kontrolliert und als gesund beurteilt. In der Beugeprobe schneidet der Hengst ebenfalls gut ab. Auch die augenfällige alte Verletzung am Halsansatz ist nur ein kleiner Schönheitsfehler.

Die in der Vergangenheit vernachlässigte Hufpflege hinterließ Spuren und erfordert nun besondere Aufmerksamkeit. Die Hufwände sind spröde und rissig. Der Termin mit dem Hufschmied ist gesetzt. Was wird die Analyse an der Longe ergeben? Ist der von Profis bis in die hohen Klassen der Dressur ausgebildete Hengst geradegerichtet? Wie meistert Talisman den Kreisbogen?

Analyse

Die Analyse von Talisman erfolgt im Rundpaddock, dem Herzstück des Zentrums für ARR. Anschließend werden die Filmaufnahmen wie immer mit den Pferdebesitzern besprochen.

Zuerst wird im gemeinsamen Gespräch geklärt, was die Ausgangssituation ist und was sich die Besitzer vom Training im Zentrum für ARR erhoffen, damit die Trainingsziele konkret formuliert werden können. Der hoch talentierte Zuchthengst war einst sehr erfolgreich und hat sicher ein gutes Leben genossen. Dann kam er in die Jahre und wurde nicht mehr regelmäßig trainiert. In der Folge zeigt er sich heute stark unterbemuskelt und mit Anzeichen von vernachlässigter Pflege. Der Wunsch der neuen Besitzer ist es, dem Pferd Lebensqualität zurückzugeben und ihn als Partner in der gehobenen Freizeitreiterei genießen zu können. Die Videoaufnahmen machen deutlich: Der weit ausgebildete Hengst kann den Kreis nicht gehen. Trotz seiner früheren Sporterfolge trägt er die Schiefe noch in sich – ein oft angetroffenes Phänomen.

Das Pferd macht sich rechts hohl und auf der Zwangsseite kann es die Längsbiegung nicht annehmen. Das ist auf dem kleinen Kreisbogen, den jedes nicht geradegerichtete Pferd von sich aus entwickelt, besonders deutlich zu erkennen. Wir werden beobachten, dass Talisman im Laufe des Trainings sich selbstständig auf den größeren Kreis begeben wird. Das ist der Sinn dieses Trainings. Zudem schwingt der Rücken im Moment noch nach unten, was die Gelenke stark belastet.

Analyse

Erstes Training

Das erste Training dauert nur wenige Minuten. Talisman braucht noch die Hilfe durch den Stock, denn die negative Verschiebung durch die natürliche Schiefe kann er im Moment ohne Stütze nicht allein kontrollieren. Wir möchten an dieser Stelle betonen: Der Stock gehört ausschließlich in die Hände von Fachleuten! Sein punktueller Einsatz erfordert viel Präzision und Feingefühl.

Erstes Training

Zweites Training

Am Tag darauf, im zweiten Training, sind bereits Fortschritte sichtbar. Auf linke Hand benötigt Talisman zwar immer noch den Stock zur Unterstützung, die erhobene Kopfhaltung ist jedoch schon deutlich schwächer. Auf rechter Hand ist ebenfalls eine sehr positive Entwicklung sichtbar: der Hengst begibt sich momentweise in die gewünschte Vorwärts-Abwärts-Haltung mit Ansätzen einer nach oben schwingenden Oberlinie.

Zweites Training

Ohne Huf kein Pferd

Beschlagsmeister Gerd Lamberty nimmt sich den Hufen des Schimmels an. Als erstes macht er gemeinsam mit Gabriele Rachen-Schöneich eine Bestandsaufnahme und beurteilt den Hengst im Stand und im Schritt.

Insgesamt sind die Hufe in sehr schlechtem Zustand und weisen an allen vier Füßen Risse auf – teilweise bis in den Kronrand; dieser ist schmerzhaft entzündet. Wie es so weit kommen konnte, ist dem passionierten Hufschmied unerklärlich. Gerd Lamberty wird für den Beschlag von Talisman weit in seine «Trickkiste» greifen müssen; diese außergewöhnlich anspruchsvolle Ausgangslage ist selbst für den erfahrenen Mann eine große Herausforderung. Auffallend sind jedoch auch die abgerundeten Zehenspitzen an den Hinterbeinen und die stellenweise massiven Einblutungen in der Hufsohle an allen vier Beinen. Die Vermutung liegt nahe, dass das Pferd auf allen vier Hufen eine Rehe hatte, was auch die Verformungen und Rundungen an den Hinterhufen erklären würde.

Entscheidend beim heutigen Beschlag wird sein, den Druck aus den Hufen zu nehmen und sie wieder in die Balance zu bringen. Zuerst werden die Spaltränder – teilweise fingerbreit – geöffnet und gesäubert. Anschließend werden die Risse mit Kleber aufgefüllt und vorne links, wo die Risse am schlimmsten waren, zusätzlich mit einer Acrylplatte beklebt. Dadurch verlieren die Hufe die Spannung in den Rissen. Es ist deutlich zu erkennen, welche eine Wohltat dies für das Pferd ist: Talisman beginnt am Halfter angebunden abzukauen und sich zu entspannen.

Hinten wird die innere Seite so gut es geht gekürzt und außen der Eisenschenkel etwas breiter gewählt, weil die äußere Trachte sehr tief geht. Hinten links außen wird das Eisen dünner geschmiedet, damit unter dem Riss eine Schwebe entsteht und das Eisen nicht auf dem Huf aufliegt, wodurch der Druck gemindert wird. Vorne kommen Aluminiumeisen zum Einsatz, da diese leichter sind für die schwachen Wände. Zudem sind die Auflagen verbreitert, um den Druck zu reduzieren. Darunter kommt eine leichte, dünne Platte, die in ihrer Form der Hufsohle nachempfunden ist, wodurch der Tastsinn erhalten bleibt. Diese Platte wird mit weichem Hanf ausgepolstert, der zuvor mit Hufteer getränkt wird. So wird vermieden, dass Druck durch das Silikon entsteht. Es werden Eisen ohne Kappe gewählt, um den Huf nicht einzuengen. Vorne links konnten nur je zwei Nägel eingeschlagen werden, da aufgrund der Risse keine weiteren gehalten hätten.

Nach getaner Arbeit wird Talisman dem Hufschmid nochmals im Schritt vorgeführt. Herr Lamberty und Frau Rachen-Schöneich sind sich einig: Es ist schon deutlich zu erkennen, dass das Pferd in die richtige Richtung fußt und kraftvoller läuft. Noch ist der Beschlag nicht ideal, aber das braucht jetzt seine Zeit. Bald wird sich zeigen, wie sich der neue Beschlag auf das Training auswirkt.

Beim Hufschmied

7. Trainingstag

Talisman verändert mit den neuen Eisen bereits seinen Rhythmus. Noch schwingt der Rücken nach unten, da der Rumpf durch den Trapezmuskel tief gehalten wird. Alles befindet sich im normalen Bereich des Trainings. Es wird interessant sein zu beobachten, ab wann er in der Lage sein wird, mit dem inneren Hinterbein die jeweilige innere Schulter zu stützen, damit er auf dem Kreisbogen seine Senkrechte entwickeln und den Kreis vergrößern kann.

Auch ist deutlich erkennbar, dass der Schimmel sich mental noch nicht auf die Arbeit im Kreisbogen einlassen kann. Die vielen Jahre, in denen er in eine Form geführt wurde, zollen ihren Tribut: Der Hengst stellt sich zwar gehorsam den Anforderungen, kann innerlich jedoch noch nicht loslassen, da ihm noch das Vertrauen zu sich selbst fehlt. Die Spielbereitschaft, die Fröhlichkeit, die Ungezwungenheit schlummern noch zu tief in ihm.

Training nach 7 Tagen

3 Wochen später

Drei Wochen sind vergangen seit Talisman neu beschlagen wurde. Es ist erstaunlich, wie gut sich seine Hufe bereits erholt haben! Zu verdanken ist dies der Meisterleistung des Hufschmieds, der in kniffliger Detailarbeit den Druck von den Hufen nahm, im Zusammenspiel mit dem gezielten Training, das im Pferdekörper eine komplett neue Lastverteilung bewirkt. Wir erinnern uns, dass die schlimmsten Spalten vorne links und hinten rechts auftraten. Dies ist bei einem nicht geradegerichteten Linkshänder, der sich immer auf sein linkes Vorderbein stützt und das rechte Hinterbein aufgrund der verschobenen Körperachse besonders belastet, nicht weiter erstaunlich. Durch das Training am Kappzaum in den letzten 21 Tagen findet der Hengst zunehmend in seinen Schwerpunkt: Gelenke und Hufe werden durch die positiv beeinflusste Rückentätigkeit enorm entlastet.

In Bezug auf Muskulatur und Bewegungsqualität sind ebenfalls deutlich positive Veränderungen erkennbar. Talisman tritt kräftiger an, ist insgesamt runder geworden und hat vor allem an Hals und Hinterhand sichtbar Muskulatur aufgebaut. Inzwischen schwingt der Rücken momentweise schön nach oben.

Dennoch ist der Hengst noch nicht ganz in der Lage, auf dem großen Kreisbogen zu gehen, da er mit den Scher- und Zentrifugalkräften gegenwärtig noch nicht vollständig umgehen kann. Auf dem Film ist erkennbar, wie das innere Hinterbein noch schräg unter den Körper fußt, um die Schiefe aufzufangen. Es ist vermutlich nun nur noch eine Frage von wenigen Tagen bis der Hengst die Losgelassenheit finden wird.

Training nach 3 Wochen

10 Tage später

Die positive Entwicklung geht weiter.

Training Woche 5

Ausbildung Stufe 1 abgeschlossen

Beschlagsmeister Gerd Lamberty nimmt sich dem Hengst ein zweites Mal an. Der Schmied ist sehr zufrieden mit der Entwicklung der Hufe. Bei einem nicht alltäglichen Härtefall wie diesem, ist selbst ein Fachmann wie Gerd Lamberty erleichtert, wenn sich so deutlich abzeichnet, dass sich die gewählte Technik und das verwendete Material bewähren. Die schrägen Wände wird man nun schrittweise verbessern können. Die Prognose des Schmieds: das braucht zwei Jahre Zeit.

Die Videoaufnahmen gleichentags an der Longe zeigen: Talisman ist geradegerichtet. Der Rücken schwingt nach oben, das Pferd hat zu Takt, Schwung und Losgelassenheit gefunden. Sämtliche Muskelpartien werden nun optimal durchblutet, dadurch der Stoffwechsel angeregt. Dieses positive Körpergefühl wirkt sich auf die Psyche der Pferdes aus: Talisman hat in den letzten Wochen enorm an Selbstvertrauen gewonnen.

Beim Hufschmied zum Zweiten

Aufgesattelt

Bevor die Pferde ins Training unter dem Reiter kommen, wird sorgfältig geprüft, ob das Pferd in seiner Bewegungsqualität durch den Sattel auch keinerlei Beeinträchtigungen erfährt. Der Sattler Christoph Hubertus fertigt im Austausch mit Gabriele Rachen-Schöneich einen Maßsattel für den Hengst an, dessen Passform in weiteren Trainingseinheiten an der Longe überprüft wird. Da viele Pferde unter Satteltraumata leiden, ist es in dieser Phase wichtig, das Pferd an der Longe genau zu beobachten und allfällige Veränderungen (auch psychische) gegenüber dem Longentraining ohne Sattel festzustellen.

Talisman scheint glücklicherweise keine schlechten Erfahrungen mit dem Sattel gemacht zu haben. Er ist nun bereit, das Reitergewicht zu tragen, bereit für die Stufe 2.

Longieren mit Sattel

Erster Beritt: Die Schiefen-Korrektur im Sattel

Talisman nimmt seine Linkshändigkeit erwartungsgemäß mit unter den Sattel. Was an der Longe bereits korrigiert wurde, manifestiert sich unter dem Gewicht des Reiters erneut: das Pferd zeigt im ersten Moment eine Taktunreinheit, erzeugt durch das Abstützen auf der linken Vorhand – was das Vortreten der Hinterhand verzögert.

Nun gilt es, dem Linkshänder Hilfestellung zu bieten, um das an der Longe erarbeitete Bewegungsmuster auch unter dem Reitergewicht zu zeigen. In dieser Ausbildungsphase geht es darum, das Pferd auf seiner händigen Seite so anzuheben, dass es die Diagonale in sich aufnehmen kann. Mit zunehmender Lastaufnahme der Hinterhand verbessert sich der Takt innerhalb weniger Minuten deutlich. Es wird die Aufgabe des Bereiters Martin Hänni sein, den Hengst in den kommenden Tagen entsprechend zu unterstützen.

In dieser Korrektur-Phase werden die Pferde im Zentrum für ARR – und so auch Talisman – mit einer einfachen Trense ohne Sperrriemen sowie mit schweren offenen Zügeln geritten. So können Probleme im Zusammenhang mit dem Gebiss, das in der 1. Stufe der Ausbildung ja noch nicht verwendet wurde, erkannt werden. Zudem helfen die schweren Zügel, die mit einem speziellen Martingal zusätzlich Gewicht erhalten, Selbsthaltung und Leichtigkeit in der Anlehnung zu erreichen. Durch das Antreiben des Pferdes mithilfe der offenen Zügelenden wird der ausbalancierte Sitz des Reiters nicht gestört und das Pferd lernt, in der Kombination von Zügeleinsatz und Sitzeinwirkung auf feine Hilfen zu reagieren. Um das Reitergewicht optimal auf dem Pferderücken zu verteilen, wird in dieser Phase ein Woilach (Militär-Wolldecke) unter den Sattel gelegt.

Erster Beritt

Zweiter Beritt: Der Schlüssel zum Pferd

Die Fortschritte gegenüber dem ersten Beritt sind frappant! Klaus Schöneich erläutert die praktische Arbeit unter dem Sattel: Volten, Schlangenlinien und Schulterherein sind der biomechanische Schlüssel zum gesunden Pferd. Zusammenfassende Informationen rund um die 2. Stufe sowie illustrierte Lektionen, finden Sie in ARR-Glossar.

Tags darauf: der zweite Beritt

Physis und Psyche

Wenn uns ein Pferd zur Ausbildung anvertraut wird, beobachten wir die ersten Tage sehr intensiv seine Physis genauso wie seine Psyche.

Talisman war bei der Ankunft in einem desolaten Zustand. Sichtlich erschöpft von der mehrtägigen Reise, war er – abgesehen von seinen desaströsen Hufen – in einem schlechten Futterzustand, der Muskeltonus war sehr hoch, das Fell stumpf und rau, teilweise konnte man Mauke-Stellen an den Fesseln finden. Dazu kam, dass er seinen eigenen Kot fraß. Sehr schnell stellte sich außerdem heraus, dass er kein trockenes Heu vertrug und schon gar keinen 1. Schnitt, in welchem noch Blütenstände vorhanden waren.

In den ersten Tagen nach der Ankunft des Hengstes wurde daher im Einverständnis mit den Besitzern ein großes Blutbild veranlasst. Um Defizite – auch die, die wir nicht gleich über die Blutanalyse feststellen konnten – auszugleichen, bekam Talisman erst mal einen Multivitamin- und Mineralzusatz. Die im Blutbild erhöhten Eosinophilen deckten sich mit unserer Vermutung einer Heustaub-Allergie, auf die bereits der trockene Husten des Hengstes hindeutete. Wir passten die Fütterung entsprechend an. Um gleichzeitig Parasiten als Ursache für die erhöhten Werte auszuschließen, wurde eine Wurmkur verabreicht.

Emotional machte Talisman auf uns einen überangepassten und abgeschalteten Eindruck. Man konnte es fast mit «Burn out» bezeichnen. In der Arbeit war er hoch gestresst, in der Box und auf der Koppel apathisch – traurig. Talisman stand in der Ecke seiner Box, die Möglichkeit in den Innenhof zu blicken – was bei all unseren Boxen möglich ist – nahm er nicht wahr.

Mit Voranschreiten des Trainings schlichen wir uns in Absprache mit den Besitzern mit Bachblüten bei ihm ein. Von der individuellen Mischung, die unsere erfahrene Tierheilpraktikerin anhand seiner Mähnenhaare energetisch zusammengestellt hatte, bekam er 2 x täglich 6 Tropfen verabreicht. Interessant war, dass Andrea Lübke-Hayer – ohne vorherige Info – ein Blütenbild verfasste, das mit unseren Beobachtungen vollständig übereinstimmte (siehe PDF).

Schon nach kürzester Zeit konnten wir feststellen, wie der Hengst aufwachte. Er schaute uns an, nahm Kontakt auf, blickte in den Innenhof und begann das Spiel mit seinen Boxennachbarn. Er öffnete sich für die neue Art der Arbeit, hörte zu, baute seinen Stress ab. Ein neuer Abschnitt begann!

Obwohl unauffällig in der Beugeprobe und beschwerdefrei im Training, beschäftigte uns Talismans linkes Sprunggelenk: Hufe auskratzen war jedes Mal mit Stress verbunden, der Hengst riss das Bein hoch – überanstrengt. In Rücksprache mit den Besitzern wollten wir der Sache auf den Grund gehen und ließen von unserer Tierärztin ein Röntgenbild anfertigen. Eine kleine Veränderung am oberen Rollkamm könnte die Geschmeidigkeit des Gelenkes beeinträchtigen, was Talismans Empfindlichkeit beim Geben des Hinterhufes erklären könnte.

Um den Knochenstoffwechsel anzuregen und die Gelenke wieder «gängiger» zu machen, wurde daraufhin ein homöopathisches Komplexmittel angesetzt. Die höheren Anforderungen während der Longenarbeit ließen die Zusatzmittel wirken und «verstoffwechseln». Der Erfolg blieb nicht lange aus: Der Hengst wurde im Training zusehends geschmeidiger und das Hufe geben fiel ihm etwas leichter. Es wird interessant sein zu beobachten, ob sich das Problem mit zunehmender Gymnastizierung und damit einhergehender Entspannung von selber löst.

Die gymnastizierende Longenarbeit hatte im Zusammenspiel mit einer qualifizierten Bearbeitung der Hufe, einer individuellen Fütterung sowie der homöopathischen Behandlung und der Unterstützung der Bachblüten den Stoffwechsel und damit den Allgemeinzustand des Hengstes deutlich verbessert. Man konnte beobachten wie der 17-Jährige jeden Tag mehr aufblühte, sein Verhalten wurde hengstgerechter, seine Muskulatur baute sich besser auf, das Fell wurde perlmuttfarben und weich. Wir waren auf dem richtigen Weg!

Nur der Husten schlug immer wieder an – auch unter dem Sattel – obwohl wir das Heu nass gemacht haben. Eine weitere Untersuchung ergab: Keine Infektion, sondern eine Heustaub-Allergie. In einem nächsten Schritt verordnete unsere Tierärztin eine Eigenbluttherapie, um das Immunsystem des Hengstes zu stärken und seine Abwehrkräfte zu mobilisieren. Hierzu entnahm sie dem Hengst Blut, aus dem ein Serum erstellt und mit verschiedenen homöopathischen Mitteln potenziert wurde. Dieses Eigenblut bekam und bekommt er nun im Abstand von 3 Tagen unter die Haut gespritzt. Mit Erfolg: Der Husten ist endlich im Griff! Talisman braucht natürlich weiterhin nasses Heu sowie viel Bewegung an der frischen Luft und aktive Arbeit, die die Lungen durchlüftet.

Der Hengst dankt uns das Engagement jeden Tag mit seiner hohen Präsenz, seiner Freundlichkeit und dem ungebeugten Willen zur Leistung. Nun ist er endlich in der Lage, seine Stress-Altlasten besser zu bewältigen.

Übergabe an die Besitzer

Nach 12 Wochen Schiefen-Korrektur im Zentrum für Anatomisch Richtiges Reiten übernehmen die Besitzer den Hengst. Die Übergabe erfolgt in der Einweisung in die Longenarbeit sowie im Unterricht in der Reithalle. Talisman ist heute sowohl am Boden als auch unter dem Sattel geradegerichtet. Er bewegt sich in Takt, Schwung und Losgelassenheit. Der Schimmel kann nun mit leichter Hand und ohne Krafteinwirkung geritten werden. Die gesunde Basis für höhere Aufgaben ist gelegt.

Übergabe an die Besitzerin

Vorher – Nachher: Ein Athlet in seinen besten Jahren

Nach 12 Wochen Training strotzt Talisman vor Selbstbewusstsein und Kraft. Sein neues Körpergefühl verleiht ihm Ausdruck und Präsenz. Dank ganzheitlicher Betreuung und gezielter Muskelarbeit erstrahlt der weiße Hengst in neuem, alten Glanz. «In diesen 12 Wochen ist ‹Talis› sechs Jahre jünger geworden», staunen die Besitzer.


Dass ein gesunder Körper mit einem gesunden Geist einhergeht, beweist der charismatische Hengst mit ungebrochener Leistungsbereitschaft und einer inneren Ruhe, die jeden in seinen Bann zieht. Mit seiner Athletik und seiner Ausstrahlung wird Talisman bestimmt noch viele Menschen begeistern.
Alles Gute, Talis!

Talisman: 6 Monate später

6 Monate nach seinem Aufenthalt im Zentrum für ARR erhalten wir diese Bilder. Die Besitzer konnten Talisman weiter aufbauen und die geraderichtende Arbeit festigen. Der Hengst genießt die Abwechslung im Training (trotz fürchterlicher Bremsenplage) und wird neben den Ausritten durchs Gelände und der Arbeit auf dem Dressurplatz ein bis zwei Mal wöchentlich longiert.

6 Monate später

Happy Birthday, Talis!

Ein Jahr nach seiner Abreise aus dem Zentrum für ARR erhalten wir diese Bilder aus Talismans erstem Training nach der Winterpause. Anlässlich seines 19. Geburtstags wurde er eingeflochten. Happy Birthday, Talis!!!

Talisman im Alter von 19 Jahren

Nachruf

Ein großes Pferd hat seine letzte Reise angetreten und schaut nun von den Sternen auf seine Menschen und seine zahlreichen Nachkommen. White Talisman verließ uns am 30. April 2021 durch einen tragischen Unfall. Wir sind dankbar, ihn kennengelernt zu haben, und werden ihn nie vergessen. Abschied ist die Geburt der Erinnerung! (Salvador Dali)

Gabriele Rachen-Schöneich und Klaus Schöneich

Klaus Schöneich longiert den weißen Hengst White Talisman mit dem Kappzaum nach der Schiefen-Therapie.
Klaus Schöneich und der gekörte Hengst White Talisman am Zentrum für Anatomisch richtiges Reiten ARR bei der Schiefen-Therapie (Foto: Andrea Heimgartner)