Michael Wolters
Klaus Schöneich zum 80sten
Sein erstes Buch erschien 1992: Die Grundlagen des Freizeitreitens auf Westernbasis – Anatomisch richtiges Reiten. Damals wurde ich von einer Reiterzeitschrift gebeten, das Buch zu besprechen. Vieles verstand ich nicht, aber ich wollte es wissen. Deshalb fuhr ich ein Wochenende als «Beobachter» zu einem Kurs. Ich hatte zwar nichts mit Westernreiten im Sinn, war aber immer neugierig auf Neues (was oft nur wiederentdecktes Altes ist). Und so traf ich ihn, wie auf dem Foto des Schutzumschlags: wallende Mähne, breitkrempiger Hut, Chaps.
Bald lernte ich, dass dieses Äußere weniger mit den US-Cowboys zu tun hatte als vielmehr mit den Vaqueros aus Spanien. In diesen alten Traditionen hatte Klaus Schöneich seine grundlegenden Erfahrungen gemacht. Ich unterhielt mich mit einigen Teilnehmerinnen. Da waren zwei Frauen mit ihren Pferden gekommen. Die eine hatte ein Problempferd, das sie bis dahin nicht in den Griff bekam. Die andere war nur als Begleiterin mitgekommen, damit das Pferd der Freundin nicht allein im Hänger stand. Sie hatte aus Neugier dann eine Analyse mitgemacht. Und diese Frau erzählte mir, dass die vergangenen 24 Stunden wie eine Offenbarung für sie gewesen seien. Klaus Schöneich hätte ihr die Augen geöffnet für Dinge, die sie vorher nie wahrgenommen hatte. Bei der Erstanalyse wurde sie auf Unreinheiten im Gang aufmerksam gemacht, die manchen Fehler bei der Routinearbeit erklären konnten. Nach nur zweimaliger Longenarbeit konnte sie schon (mit untrainiertem Auge) feststellen, dass ihr Pferd deutlich sauberer ging. Daraufhin entschloss sie sich, dass Pferd zur weiteren «Behandlung» gleich da zu lassen. Das imponierte mir. Wer eigentlich nur als Begleiter mitfährt, dann feststellt, dass sein Pferd «Mängel» hat, die er nicht kannte, der dann in die Behebung dieser Mängel (unvorbereitet) investiert - das erlebt man nicht alle Tage. Dieses Erlebnis wurde zur Basis unserer über 20jährigen Zusammenarbeit.
Im Laufe des Kennenlernens ergaben sich dann Fälle, bei denen ich Akupunktur empfehlen - und auch anwenden konnte. Die wachsenden Erkenntnisse brachten zunehmende Erfolge in der Ausbildung und Therapie. Es zeigte sich ein Phänomen, das mir nirgendwo anders begegnet ist: im ARR-Zentrum reicht meist eine einzige Akupunktur aus, um den Patienten anzustoßen und weiter zu bringen. Woran liegt das? Meine Erklärung: die Pferde werden so gut gymnastiziert, dass sie aus sich selbst heraus ihre «Heilung» bewerkstelligen können. Diese Art des Trainings ist Hilfe zur Selbsthilfe, weil sie elementare Gegebenheiten der Pferdenatur berücksichtigt. Das bedeutet nicht, dass es nicht gravierende Hemmnisse geben könnte. Solche Blockaden liegen wie ein gestürzter Baum auf der Straße und hindern am Weiterkommen. Und da hilft die Akupunktur. Mit ein paar Nadeln können wir meist solche Blockaden entfernen. Die Straße wird frei, das Training kann erfolgreich weitergehen. Es mag andere Formen solchen Trainings geben - ich kenne sie nicht. Üblicherweise braucht es mehrere AP-Behandlungen, ehe man einen Erfolg sieht. Wenn aber die Reit- und Trainingsweise sich nicht ändert, hält der auch nicht lange an.
Im Laufe dieser zwei Jahrzehnte haben sich um Klaus Schöneich und seine Frau Gabriele Menschen zusammengefunden, die eine Idee eint: dem Pferd als Partner des Menschen soviel Natürlichkeit wie möglich zu lassen und sowenig Zwang als möglich anzuwenden, damit es uns als Reittier dienlich ist. Ich bin dankbar für die Begegnung mit diesen beiden Menschen. Ich lerne bei jedem Besuch und hoffe, dass das noch lange so weitergeht.
Michael Wolters